Ich starre das Regal an. Nicht eine Minute oder zwei. Seit geschlagenen 15 Minuten stehe ich vor dem Bücherregal im Arbeitszimmer und fixiere die Buchrücken. Zu viel. Viel zu viel, denke ich. Jahrelang habe ich meine Beute aus den Buchhandlungen in den heimischen Bau geschleppt. Anstatt Sie zu lesen, habe ich die meisten Bücher einfach vergessen. Original eingeschweißt harren einige von Ihnen einer Hand, die nach ihnen greift. Sie aufschlägt und eintaucht in die Welt, die ihr Buchrücken verspricht. Einem plötzlichen Impuls folgend strecke ich die Hand aus und beginne zu packen.
Ein Buch nach dem anderen wandert in den grünen Klappkarton. Ich höre erst auf, als die übrig gebliebenen Bücher im Regal zu Kippen beginnen, weil kein Nachbar sie mehr stützt. Erleichterung macht sich breit. Die Packaktion ist wie ein Befreiungsschlag. Und steht symbolisch für ein Gefühl, dass mich schon seit geraumer Zeit begleitet: Ich muss mich trennen von Dingen, die mir einmal lieb und teuer waren. Die ich nur noch als Ballast empfinde.
Die ganzen Bücher – wann werde ich sie lesen? Die Bücher sind erst der Anfang. Auf meiner inneren Liste stehen noch mehr Sachen.
Es kommt nicht darauf an, viele Dinge zu besitzen. Es kommt darauf an, Zeit mit ihnen zu verbringen und sich an Ihnen zu erfreuen. Und Sie irgendwann gehen zu lassen, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Bei mir ist es jetzt soweit. Time to say Goodbye.
Ich frage mich, wie oft das passiert im Leben. Wie oft sie kommt, die Sehnsucht, sein Leben mit anderen materiellen Begleitern zu teilen? Wie oft ändert sich persönlicher Geschmack? Alle zehn, alle fünf, alle zwei Jahre? Die Abstände werden kürzer. Vielleicht, weil wir älter werden.
Ich bin kein Wegwerftyp. Entweder stehe ich auf dem Flohmarkt oder hacke bei Ebay in die Tasten. Bei den Büchern ist es einfach. Ich schleppe 100 davon zur Büchertauschstation ins Wiesbadener Westend. Der Anfang ist gemacht. Der Mann grinst und freut sich. Viele Menschen greifen nach der Literatur. Die Wohnung wird leerer.
Was am Ende bleibt? Erleichterung. Ich fühle mich leichter. Habe Ballast abgeworfen und andere Menschen freuen sich vielleicht über ein neues gutes Buch. Ich bin befreit. Ja, das trifft es vielleicht. Und bereit für einen Neuanfang.
Kennt ihr das Gefühl? Wie oft habt ihr das Bedürfnis nach einem Rundumschlag in eurer Wohnung?
Claudia meint
Für mich ist das Ausmisten der Wohnung einerseits immer eine schmerzhafte Trennung, anderseits genieße ich das schöne Gefühl danach, endlich wieder frei durchatmen zu können. Ich empfehle der das Buch „Entrümpeln – jetzt aber wirklich“ von Marco von Münchhausen. Darin geht es neben der „äußeren Entrümpelung“ auch um eine „innere Entrümpelung“ – also wie man sich von unangenehmen Gewohnheiten und Lastern befreien kann. Eine Entrümpelung schafft Platz und Freiraum – genau richtig also, um sich optimal entfalten zu können!